Besuch bei den Partnerschulen 2016

Ende August 2016 trat ich einen vierwöchigen, unbezahlten Urlaub an, mit dem Ziel, unsere beiden Dorfschulen in Kirgistan zu besuchen. Grund für den aussergewöhnlichen Zeitpunkt war der Schulbeginn am 1. September, der im ganzen ehemaligen Sowjetraum feierlich begangen wird : Lehrpersonen werden mit Blumen beschenkt, Eltern und Grosseltern begleiten die Kinder, besonders erfolgreiche Schülerinnen und Schüler werden geehrt und nebst weiteren Ansprachen wurde dem Bruggfeld und mir ganz herzlich für unsere Unterstützung gedankt.

Nach diesem festlichen Anlass reiste ich mit Rustam Tashtanov, unserem Vertreter vor Ort, und sieben weiteren Ortsvertretern an die World Nomad Games. Bereits die Reise an den Austragungsort am Issyk-Kul Lake war ein spezielles Erlebnis: Unterwegs wurde die Reise mehrmals gefeiert, das heisst, es wurde reichlich gegessen und wiederholt mit Wodka angestossen. Wohlweislich waren Fahrer engagiert worden.

Die Games selber waren enorm beeindruckend: Über 50 Nationen massen sich in friedlichem Wettstreit bei diversen Reiterspielen, Taiganrennen, verschiedensten Ringkämpfen, beim Bogenschiessen und vielem mehr. Hauptschauplätze waren das grosse Hippodrom und in den Bergen oben eine riesige Jurtenstadt. Nebst den Wettkämpfen war der Anlass auch eine Gelegenheit, altes Handwerk zu zeigen, überliefertes Brauchtum zu zelebrieren und all die schönen Kostüme und Trachten zu zeigen.

Zurück im Dorf begann eine äusserst intensive Zeit mit Besprechungen in den beiden Schulen und Unterrichtsbesuchen. Da meine bescheidenen Russischkenntnisse dafür nicht ausreichen, konnte ich zusätzlich auf Englischlehrpersonen zurückgreifen. Weder Lehrpersonen noch Direktor sind sich unsere Budgetierungsvorgänge gewohnt. Zudem gibt es starke Hierarchien, die zum Teil dem Miteinander im Wege stehen. So verschafften sich zum Beispiel ältere Lehrpersonen Vorteile gegenüber jüngeren und behielten neue Englischbücher für ihre Klassen, was natürlich sofort geändert werden musste. Die Bereitschaft, dazu zu lernen, ist aber erfreulich gross: Die im Plenum kritisierten Punkte wurden gut aufgenommen und es wurde zudem gewünscht, dass ich den Lehrpersonen Feedback zu ihrem Unterricht gebe. In solchen Gesprächen wird deutlich, dass viele Unsicherheiten bezüglich Unterricht, Budgetierungsvorgängen und allgemeiner Planung bestehen. Auch in anderen Diskussionen wurde oft spürbar, dass der Eindruck vorherrscht, zu Zeiten der Sowjetunion sei das Leben einfacher, geregelter und somit klarer gewesen. Natürlich ist der Weg in die Selbständigkeit schwierig, zudem ist das Bildungssystem nach wie vor auf schwachen Füssen und die allgegenwärtige Korruption ein Riesenproblem.

Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt, dass gerade in diesen Dörfern und in kleinen Schritten doch etwas Bleibendes bewirkt werden kann. Ich konnte mich auch davon überzeugen, dass die neu eingekauften Computer trotz (noch) fehlendem Internetzugang gut eingesetzt werden. Ramis lehrt die Schülerinnen und Schüler, die sich jeweils zu zweit einen Computer teilen, die Programme Word und Excel zu brauchen und mit eigenen Aufnahmen eine Power Point zu gestalten.

Da die Lehrpersonen ihre Wünsche allzu oft an Rustam delegierten, statt selber zu diskutieren und abzuklären, verlangte ich von beiden Schulen eine Anschaffungsliste mit ungefähren Preisen. Zudem wollte ich, dass sich Lehrpersonen für einen Einkauf in der Hauptstadt Bishkek zur Verfügung stellen. So kam es, dass ich am letzten Tag mit Ainura und Ramis auf einer schweisstreibenden Einkaufstour war. Es ist kaum zu glauben, aber die Suche nach einem CD-Player war ein echt schwieriges Unterfangen. Auch Zirkel und Geodreiecke konnten nur in kleinen Mengen an verschiedenen Orten eingekauft werden. Trotzdem bin ich der Meinung, dass so viel wie irgend möglich vor Ort eingekauft und nicht von uns exportiert werden sollte, damit die Wertschöpfung im Land bleibt. Immerhin konnten wir auch eine neue Wandtafel bestellen, die inzwischen bereits montiert ist. Die Schreinerei, in der sie hergestellt wurde, in der ehemaligen Wollverarbeitungsfabrik ist zudem ein Beispiel für gewagtes Unternehmertum und es ist zu hoffen, dass sie überleben kann.

Natürlich durften ein paar Tage auf dem Pferderücken nicht fehlen. Unterwegs zu sein in dieser weiten Landschaft ist immer wieder ein beglückendes Erlebnis!

 

So ging eine unglaublich spannende und lehrreiche Zeit mit vielfältigen Eindrücken zu Ende und ich kehrte erfüllt davon ins Bruggfeld zurück. Hier wurde während der Sonderwoche eifrig gewerkt, zudem konnte ich aus Kirgistan kleine Schülerarbeiten und Filzkissen mitnehmen, sodass wir für den Adventsmarkt gerüstet waren und uns auf Besucher freuen konnten.

Ch. Liechti-Gerber